Der Krieg in der Ukraine könnte bedeuten, dass Millionen Menschen ihre Heimat verlieren. Schon am zweiten Tag der Angriffe russischer Truppen versuchen Zehntausende, sich in Sicherheit zu bringen.

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wird vermutlich unzähligen Menschen ihr Zuhause kosten und hat viele schon jetzt zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) sind aktuell in der Ukraine 100.000 Menschen auf der Flucht. Die UN stellen sich aber auf bis zu vier Millionen ein, sollte sich die Situation verschlechtern. Schon jetzt seien Tausende in Nachbarländer wie Polen, Moldau, die Slowakei und auch Russland geströmt, hieß es vom Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Die Ukraine hat annähernd 42 Millionen Einwohner.

Neben der Ukraine habe auch das Nachbarland Moldau in der Nacht zu Freitag offiziell über den Katastrophenschutzmechanismus um Hilfe gebeten, um Flüchtlinge besser versorgen zu können, bestätigte eine Sprecherin der EU-Kommission. Laut offiziellen Angaben führt die Brüsseler Behörde auch Gespräche mit Polen, Ungarn und Rumänien darüber, wie die EU sie bei der Aufnahme von Menschen aus der Ukraine unterstützen könnte.FS Ukraine-Konflikt Grafiken 11.01

Der Einmarsch der russischen Streitkräfte in der Ukraine löste weltweit Wut und Bestürzung aus. Die Innenminister der 27 EU-Staaten kündigten an, angesichts einer möglicherweise großen Fluchtbewegung aus der Ukraine am Wochenende zu einem Krisentreffen zusammenkommen. In einer Sondersitzung solle „über konkrete Antworten auf die Situation in der Ukraine“ gesprochen werden, teilte der französische Innenminister Gérald Darmanin auf Twitter mit. Frankreich hat derzeit den rotierenden Vorsitz der EU-Staaten inne.

Das Treffen soll nach Angaben eines Sprechers des deutschen Bundesinnenministeriums am Samstag stattfinden. Weitere Details etwa zum Ort, Zeitpunkt und zu der Tagesordnung waren zunächst nicht bekannt.

Viele Menschen aus der Ukraine flüchten nach Polen

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, sagte, man erwarte derzeit, dass Polen für flüchtende Menschen aus der Ukraine die erste Anlaufadresse sein werde. Die Bundesregierung und das Innenministerium hätten ihre Hilfe angeboten.

Aber auch in Deutschland hat Agenturmeldungen zufolge die Debatte darüber begonnen, ob und wie viele Flüchtlinge die Kommunen hierzulande aufnehmen werden. Städtetags-Präsident Markus Lewe sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Städte in Deutschland bereiteten sich darauf vor, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. „Wir erwarten, dass sich Bund und Länder eng mit den Kommunen abstimmen“, erklärte Lewe.STERN PAID Ukraine-Russland-Krise Stimmung in Polen Flüchtlinge 13.47

Zur einer Transitroute für Kriegsflüchtlinge aus dem Nachbarland Ukraine ist inzwischen das EU- und Nato-Land Rumänien geworden. Binnen 24 Stunden seien mehr als 10.000 Menschen aus der Ukraine nach Rumänien eingereist, mehr als doppelt so viele wie unmittelbar vor der russischen Invasion in die Ukraine, sagte Rumäniens Innenminister Lucian Bode laut der Nachrichtenagentur Mediafax.

Von den eingereisten 10.624 Ukrainern seien inzwischen 3660 weitergereist, unter anderem nach Bulgarien und nach Ungarn, sagte der Minister weiter. 11 Menschen hätten in Rumänien Asyl beantragt. Rumänien habe insgesamt 1100 Plätze in Asylunterkünften, die zur Hälfte besetzt seien. Vorher hatte Rumänien erklärt, darüber hinaus notfalls theoretisch eine halbe Million Flüchtlinge in temporären Notunterkünften beherbergen zu können.

Die rumänisch-ukrainische Grenze ist rund 650 Kilometer lang, davon rund 274 Kilometer Landgrenze, der Rest gebildet von den Flüssen Theiß und Donau. Es gibt vier internationale Grenzübergänge – drei für Autos und einer für Züge – sowie zwölf für den kleinen Grenzverkehr.

Russland spricht von 110.000 Flüchtlingen aus der Ostukraine

Auch Kriegsverursacher Russland ist offenbar mit der Not der Menschen in den Kriegsgebieten konfrontiert: So hat das Land nach Angaben von Außenminister Sergej Lawrow mehr als 110.000 Flüchtlinge aus den nun von Moskau anerkannten „Volksrepubliken“ in der Ostukraine aufgenommen. Russland habe humanitäre Hilfe bereitgestellt für Menschen, die „gezwungen waren, wegen des andauernden Beschusses durch die Streitkräfte der Ukraine vorübergehend aus den Gebieten Donezk und Luhansk überzusiedeln“, sagte Lawrow der Agentur Interfax zufolge.

Gegen großen internationalen Protest hatte der russische Präsident Wladimir Putin am Montag die selbst ernannten Volksrepubliken als souveräne Länder anerkannt. Am Donnerstag marschierten russische Truppen in die Ukraine ein. Ob die von Lawrow genannten Zahlen über die von dort nach Russland geflüchteten Menschen korrekt sind, ist unklar.Ukraine Hilfsgeld-Erklärung 15.36

Knapp zwei Tage nach Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine sind auch Spendenaktionen für das überfallene Land angelaufen. Die EU-Länder haben Hilfsgüter wie Erste-Hilfe-Kästen, Schutzkleidung, Zelte, Feuerlöscher, Stromgeneratoren und Wasserpumpen für die Ukraine gespendet. Die Hilfen kommen aus zwölf Ländern, unter anderem aus Deutschland, und werden mit der Unterstützung des EU-Mechanismus für Katastrophenschutz verteilt, wie die Europäische Kommission am Freitag mitteilte. Insgesamt seien mehr als zwei Millionen lebenswichtige Güter gespendet worden.

Sehen Sie im Video: Russlands Truppen rücken schnell in die Ukraine vor. Das Ziel: Die komplette Kapitulation des Landes. Welche Strategie Putin verfolgt, wie er vorgeht und was wir zu erwarten haben, erklärt stern-Militärexperte Gernot Kramper.

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