Die polnische Regierung hat sich bereit erklärt, für die Rückführung der Flüchtlinge an der polnisch-belarussischen Grenze aufzukommen. „Wir sind jeden Moment in der Lage, die Rückkehr der Migranten in ihre Herkunftsländer zu finanzieren, wir haben auch eine Menge diplomatischer Aktivitäten im Irak und in anderen Ländern des Nahen Ostens entwickelt“, sagte Regierungschef Mateusz Morawiecki nach einem Treffen mit Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas. Die belarussische Regierung hatte bereits angedeutet, Flüchtlinge zurückzubringen. 

Morawiecki besuchte die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland, um sich mit den Regierungschefs dieser Länder über die Situation auszutauschen. In Tallinn sagte er, Polen erwäge zudem, weitere Grenzübergänge zu Belarus zu schließen, um damit den ökonomischen Druck auf den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko zu erhöhen. Polen hatte bereits vor zwei Wochen den Grenzübergang Kuznica geschlossen. „Wir gehen davon aus, dass der Druck auf die Grenze anhält, weil Lukaschenko sein Ziel nicht erreicht hat“, sagte Estlands Regierungschefin Kaja Kallas. 

In einer auf Englisch veröffentlichten Videobotschaft warnte Morawiecki, die Ereignisse an der polnisch-belarussischen Grenze seien keine „gewöhnliche Migrationskrise“, sondern eine politische Krise, die zu einem speziellen Zweck ausgelöst worden sei. „Ihr Ziel ist die Destabilisierung Europas zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges vor 30 Jahren.“ Seine litauische Amtskollegin Ingrida Šimonytė sagte nach der Begegnung mit Morawiecki, Polen trage die größte Belastung einer hybriden Attacke an der Ostgrenze der EU.

Die Europäische Union beschuldigt den belarussischen Staatspräsidenten
Alexander Lukaschenko, in organisierter Form Flüchtlinge aus
Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen, um Druck auf den Westen
auszuüben. Die Menschen aus dem Irak, aus Syrien und Afghanistan sind
über Touristenvisa in Belarus eingereist.  

Polnische Sicherheitskräfte berichten von weiteren Flüchtlingstransporten

Nach Angaben des polnischen Grenzschutzes versuchen weiterhin größere Gruppen von Flüchtlingen vergeblich, die Grenze zu überqueren. Am Samstag kurz vor Mitternacht hätten belarussische Sicherheitskräfte in der Nähe der Ortschaft Czeremsza rund 100 Flüchtlinge mit einem Lastwagen an die Grenze gefahren und einen Holzsteg über den Stacheldrahtverhau geworfen, teilten die Grenzer am Sonntag mit. Insgesamt registrierte der Grenzschutz 208 Versuche einer illegalen Grenzüberquerung. Da Polen keine Journalisten in das Gebiet lässt, lassen sich die Angaben nicht überprüfen. 

Flüchtlinge, die es nicht über die Grenze nach Polen geschafft hatten und von Belarus in den Irak heimgeflogen wurden, berichteten nach ihrer Ankunft von Misshandlungen. Menschen seien von polnischen und belarussischen Polizisten geschlagen und gefoltert worden, sagten Betroffene aus den irakischen Kurdengebieten. Ein 38-Jähriger aus Dohuk berichtete, er habe weder Wasser noch Essen bekommen und sei gewaltsam aus Belarus abgeschoben worden. Doch er wolle es erneut versuchen, nach Europa zu gelangen.

WHO warnt vor schwieriger Situation

Derweil gibt es vermehrte Sorge um den Gesundheitszustand von etwa 2.000 Flüchtlingen, die Belarus in einer Logistikhalle untergebracht hat. Die Situation an der Grenze könne als schwierig bezeichnet werden, sagte Gerald Rockenschaub von der WHO nach einem Besuch dort, wie die belarussische Staatsagentur Belta meldete.

Etwa 100 Flüchtlinge seien bereits in Krankenhäuser in der nahe gelegenen Stadt Hrodna gebracht worden, sagte die Leiterin der lokalen Gesundheitsbehörden. Ein Patient sei mit einer durch das Coronavirus verursachten Lungenentzündung in ernstem Zustand, zitierte sie die russische Staatsagentur Ria Nowosti. Einige würden wegen Unterkühlung, Erkältung oder Lungenentzündung behandelt. 

Nun liefen Gespräche, wie die WHO helfen könne, sagte Rockenschaub. Er verwies auf Medikamente, medizinisches Material oder Infrastruktur. Flüchtlinge hätten über ihren Gesundheitszustand geklagt, einige hätten chronische Krankheiten. „Zuallererst brauchen die Menschen eine Perspektive für die Zukunft“, sagte er laut Belta.

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