Der Ton der Leopoldina-Experten in ihrem digital veröffentlichten Aufruf ist deutlich: „Es ist zu befürchten, dass Teile der Politik und Öffentlichkeit die Dramatik der Situation nicht in ihrem vollen Ausmaß erfassen“, schreibt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einem dringenden Aufruf (hier der vollständige Text als PDF). Nur „schnellstmögliche, klare und stringente“ Maßnahmen könnten den Anstieg der Todesfälle und eine Unterversorgung Schwerstkranker noch aufhalten.

Bereits jetzt sei der bevorstehende Corona-Winter aufgrund der „nicht ausreichend stringenten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie“ zu einer massiven gesellschaftlichen Herausforderung geworden. Varianten wie der neue Omikron-Strang machten das alles „noch dringlicher“.

Das Hauptproblem bestehe in der immer noch viel zu hohen Zahl ungeimpfter Menschen. Länder mit einer höheren Quote Geimpfter hätten die Ansteckungsraten flacher halten können, schreiben die Wissenschaftler. Daher fordern sie, Ungeimpfte müssten „motiviert oder in die Pflicht genommen werden“. Menschen, die sich bereits zweimal haben impfen lassen, müssten dringend eine Auffrischungsimpfung erhalten. Neben den Erst- und Zweitimpfungen müssten dafür „bis Weihnachten (…) rund 30 Millionen Drittimpfungen ermöglicht werden“.

Impfpflicht stufenweise einführen

Dazu brauche es unter anderem eine flächendeckende Wiedereröffnung aller Impfzentren. Auch sei eine „rasche Einführung einer berufsbezogenen Impfpflicht für Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und medizinische Fachberufe sowie weiterer Multiplikatorengruppen“ notwendig. Eine Impfpflicht für alle müsse durch entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen zumindest vorbereitet werden.

Außerdem müsse die Politik „sofortige umfassende Kontaktbeschränkungen“ umsetzen. Von Beginn kommender Woche an sollten alle Kontakte für wenige Wochen reduziert werden. Es seien strikte Kontaktreduzierungen „im privaten Bereich, in Innenräumen und Situationen mit vielen Menschen, etwa bei Veranstaltungen, in Bars und Clubs, nötig“. „Aufgrund der nachlassenden Immunität müssten diese Maßnahmen vorübergehend auch für Geimpfte und Genesene gelten, die in dieser Zeit eine Auffrischungsimpfung erhalten müssen.“

„Diese Option würde bei stringenter Umsetzung den exponentiellen Anstieg der Neuinfektionen in der vierten Welle beenden und somit auch der Überlastung des Gesundheitssystems entgegenwirken.“ Eine konsequente Durchsetzung der 2G-Regeln allein wäre weniger effektiv, es müsste mit einem längeren Verlauf der vierten Welle und mehr Todesopfern gerechnet werden, so die Experten, zu denen auch der Berliner Virologe Christian Drosten gehört.

Da die Zahl der Erkrankten unter Kindern und Jugendlichen stark zunehme, brauche es an Schulen auch wieder eine vollständige Maskenpflicht für alle und regelmäßige Tests dreimal in der Woche. Wechselunterrricht oder gar eine Aussetzung des Präsenzunterrichts hingegen sollten vermieden werden. Jedoch empfehlen die Wissenschaftler vorgezogene Weihnachtsferien.

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