Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die 1,7 Millionen Pflegekräfte in Deutschland aufgefordert, sich verstärkt zu organisieren und politisch eine stärkere Stimme zu entwickeln. „Jedes Krankenhaus und jedes Altenheim sucht derzeit Personal“, sagte Spahn auf dem Deutschen Pflegetag in Berlin. „Die Pflegekräfte sitzen derzeit am längeren Hebel.“

Die Pflege müsse selbst mehr Verantwortung übernehmen und in Tarifverhandlungen höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen, forderte Spahn. Er kritisierte, dass Pflegekräfte in mehreren Bundesländern die Gründung von Landespflegekammern abgelehnt hätten. „Mit wem soll ich reden in der Pflege?“

Zwar sei es in den vergangenen Jahren gelungen, eine Abwärtsspirale zu stoppen und den Pflegeberuf attraktiver zu machen: So habe die Bundesregierung mehr Stellen in der Alten- und Krankenpflege finanziert und Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus festgelegt. Auch gebe es durch die Herausnahme der Pflegekosten aus dem Vergütungssystem der Fallpauschalen kein Sparen mehr auf Kosten der Pflege in den Krankenhäusern. „Dass die Summe aller Anstrengungen aus der Sicht von Einzelnen oft nur als Tropfen auf den heißen Stein wahrgenommen wird, macht klar, wie groß die gesamtgesellschaftliche Aufgabe weiterhin ist“, sagte Spahn. Es bleibe zentral, mehr Personal für die Pflege zu gewinnen oder in die Pflege zurückzuholen.

Die Pflegebranche appellierte zum Auftakt des Pflegetags an die Politik, die Reform der Pflege zu einem Kernthema der neuen Bundesregierung zu machen. Bereits heute fehlten rund 200.000 Pflegekräfte in Krankenhäusern, Altenheimen und der ambulanten Pflege, sagte die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christina Vogler. Pflegedienste müssten wegen Personalmangels ihre Arbeit einstellen und Krankenhausabteilungen Betten schließen.

„Pflege kann nicht jeder“

„Pflege ist eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung, für die wir Lösungen finden müssen“, sagte Vogler. Bis 2030 werde die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland auf mehr als fünf Millionen anwachsen. „Mit dem heutigen Gesundheitssystem werden wir diese Herausforderungen nicht bewältigen können.“ Das System Pflege brauche mehr Personal, mehr Geld und angemessene Arbeitsbedingungen. Notwendig seien deutliche Lohnzuwächse in Richtung auf 4.000 Euro. „Pflege kann nicht jeder“, sagte Vogler. „Pflege ist ein qualifizierter Heilberuf, der hohe Kompetenzanforderungen an das Personal stellt.“

Auch das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) sieht die künftige Bundesregierung in der Pflicht. „Wir brauchen mehr Pioniergeist und Kreativität bei der Reform der Pflege“, sagte ihr Vorsitzender Helmut Kneppe. Tatsächlich sei die Frage, wie wir im Alter leben und eine menschenwürdige Pflege gestalten möchten, eine Grundanforderung der alternden Gesellschaft.

„Wir sollten im Umgang mit dieser Frage sehr viel positiver und einfallsreicher über Gestaltungsmöglichkeiten nachdenken“, sagte Kneppe und forderte: „Kommen wir endlich weg vom Gedanken der Kasernierung, wenn jemand hilfebedürftig wird, und schaffen wir Möglichkeiten, damit ältere Menschen in jeder Lebenssituation möglichst lange teilhaben können.“

Brysch: Fatales Zuschussprinzip

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte zudem eine finanzielle Entlastung für Pflegebedürftige. „Während die Krankenversicherung die Pflege in der Klinik und der Patienten zu Hause vollfinanziert, übernimmt die Pflegeversicherung nicht mal alle Pflegekosten der Betroffenen“, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

„Über die Anpassung der Zuschüsse an die Ausgaben entscheidet allein die Bundesregierung“, kritisierte Brysch. Die Pflegeversicherung müsse auf ein breites Fundament gestellt werden, forderte er weiter. „Funktionieren kann das nur mit Steuer- und Krankenkassenzuschüssen sowie einer Anpassung der Mitgliedsbeiträge.“ Das aktuelle Zuschussprinzip der Pflegeversicherung sei fatal.

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