Diese Nacht wird uns lange in den Knochen stecken. Der Sieg Donald Trumps ist ein Schlag nicht nur gegen das liberale und demokratische Amerika. Sein Triumph ist eine Niederlage all jener, die weltweit für offene und freie Gesellschaften streiten.

Ein fürchterliches Jahr ist damit an seinem politischen Tiefpunkt angekommen. Die Briten haben sich dafür entschieden, die Europäische Union zu verlassen. Erdoğans Türkei wird zum Unterdrückungsstaat. Die Angst vor Flüchtlingen und Terror lässt europäische Gesellschaften von Ungarn bis Frankreich nach rechts rücken.  

Nationalismus, Populismus und Protektionismus – das sind die drei großen und beängstigenden politischen Kräfte, die das politische Gesicht Europas und Amerikas grundlegend verändern. Mal um Mal hat die Bevölkerung in Wahlen und Referenden dem Establishment das Misstrauen ausgesprochen. Eine Mehrheit, so scheint es, glaubt nicht mehr an die Verheißungen kultureller Vielfalt, offener Grenzen und internationalen Wettbewerbs und Handels.

Damit aber ist die vom Westen geprägte internationale Ordnung bedroht, der wir unseren Wohlstand und unsere Freiheit verdanken. Wer soll diese freie Weltordnung gegen ihre Verächter schützen, wenn Europäer und Amerikaner den Glauben an sie verlieren? Wladimir Putin, Xi Jinping und Recep Tayyip Erdoğan – die Internationale der Autoritären steht bereit, ein Alternativsystem zu errichten: Abschottung nach außen und Repression im Inneren.

Donald Trump hat aus seiner Faszination für die „starken Männer“ dieser Welt kein Geheimnis gemacht. Er hat seinen Wählern „Deals“ mit ihnen versprochen, die die Interessen der Vereinigten Staaten schützen sollen. Aber Deals sind noch keine Außenpolitik. Diese baut auf Verträge und Allianzen, sie gründet auf Vertrauen und Wahrhaftigkeit.

Trump aber hat Amerikas Verbündete in Asien und Europa vor den Kopf gestoßen, als er das Hilfsversprechen der Vereinigten Staaten auch im Rahmen der Nato relativierte. Mehr noch: Wenn man schon über Nuklearwaffen verfüge, hat er räsoniert, müsse man dann nicht auch über ihren Einsatz nachdenken?

Dieser Präsident, der sein Amt in vollkommener außen- und sicherheitspolitischer Ahnungslosigkeit antritt, könnte zu einer Gefahr für Freund und Feind werden. Die führenden Köpfe der strategischen Community in Washington haben offen vor ihm gewarnt. Über seine Berater weiß man wenig. Man kann nur hoffen, dass die erfahrenen Außenpolitiker ihm nun, da er gewählt ist, mit ihrem Rat zur Seite stehen werden – und dass er ihren Rat annimmt.

Sonst droht großes Unheil. Die Vereinigten Staaten bleiben die einzige Weltmacht, ihre Politik kann über Wohl und Wehe noch in den fernsten Weltgegenden entscheiden. Die Machtfülle des amerikanischen Präsidenten ist beispiellos. Dass sie nun in den Händen Donald Trumps liegt, ist zum Fürchten.

Und doch ist seine politische Macht nicht grenzenlos. Die Institutionen der amerikanischen Demokratie sind stabil: ein Kongress, ohne den der Präsident nicht regieren kann, auch wenn er ebenfalls republikanisch dominiert ist; eine unabhängige Justiz, die dafür Sorge tragen wird, dass auch ein Donald Trump nicht über dem Gesetz steht; eine freie Presse, die jeden seiner Schritte kritisch begleiten wird.

Nein, dieses Amerika ist nicht auf dem Weg in den autoritären Gewaltstaat. Auf seinen liberalen und demokratischen Kern kann man sich verlassen. Es ist ein Land, das zumeist auf der richtigen Seite der Geschichte gestanden hat. Das ist die Hoffnung nach dieser Schreckensnacht: Dass Amerika auch dieses Mal die Kraft zur Selbstheilung und zur Selbstkorrektur finden wird.

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