„Das Ende des Wachstums“ plus 50. Fünf Jahrzehnte nach seiner wegweisenden Schrift hat der Club of Rome einen neuen Report vorgelegt. Viele pessimistische Prognosen sind eingetreten, doch eine gerechtere und nachhaltige Welt sei immer noch möglich.

Konkrete Weg aus der Klimakrise. Dass es diese braucht, hätten die Nachrichten des Tages kaum deutlicher klar machen können:

  • Deutschland erlebte gerade den Sommer mit den meisten Sonnenstunden (820) seit Beginn der Aufzeichnungen, dazu Hitzewellen und verbreitet Dürre.
  • Eine neue Studie zeigt, dass der Eisschild Grönlands so rapide abschmilzt, dass ein deutlicher Anstieg des Meeresspiegels nicht mehr zu verhindern ist.
  • Eine extreme Schmelze, befeuert durch Schneemangel im Winter, häufige Hitzeperioden und sich ablagerndem Sahara-Sand, beschleunigt das Sterben der Gletscher in Deutschland.
  • Pakistan erlebt nach einer Hitzewelle mit Temperaturen über 50 Grad im Frühjahr verheerende Fluten durch beispiellosen Monsun-Regen. „Pakistan ist zum ‚Ground Zero‘ der größten existentiellen Bedrohung dieses Jahrhunderts geworden – der globalen Erwärmung“, so Außenminister Bilawal Bhutto Zardari.Ein halbes Jahrhundert Club of Rome – nochmal 50 Jahre haben wir nicht 18 Uhr

Club of Rome: 2022 bestätigt dunkle Prognosen

Die Meldungen wirken wie eine Situationsbeschreibung, die der Club of Rome (CoR) vor 50 Jahren vorwegnahm. Bei weiter exponentiellem Bevölkerungsanstieg und fortschreitender Ausbeutung nicht erneuerbarer Ressourcen, so hieß es sinngemäß in der wegweisenden Schrift „Die Grenzen des Wachstums“, werde das Wirtschaftssystem ebenso kollabieren wie das Ökosystem. Die Versorgung der Menschen werde dann nicht mehr gewährleistet werden können, zumindest sei eine deutliche Verschlechterung der Lebensbedingungen zu erwarten. Das alles wurde damals auf die Jahre 2000 bis 2100 terminiert – also auf jetzt.

Fünf Jahrzehnte später haben sich nicht alle Prognosen im Detail bewahrheitet und wiederholt ist Kritik am methodischen Vorgehen der Club-of-Rome-Studien geäußert worden. Dennoch fühlt sich 2022 für viele Menschen auf der Welt so an, wie es der Experten-Zusammenschluss für das laufende Jahrhundert vor Jahrzehnten erwartet hat. In dieser Situation hat der Club of Rome gemeinsam mit einer Forschergruppe am Dienstag einen neuen Report vorgelegt. Dieser liefert einen „Survivalguide für unseren Planeten“, so der Titel, ausgefertigt von der unter anderem vom CoR ins Leben gerufenen Initiative „Earth 4 All“. Einen zentralen Tipp für das Überleben des Planeten formulierte Co-Autor Johan Rockström: „Tatsächlich ist vieles möglich, nur eines nicht: Business as usual.“China Dürre 09.20

„Wir stehen am Scheideweg“, erklärte Jorgen Randers, ebenfalls Co-Autor des neuen Reports, am Dienstag in Berlin. Die Menschheit lege derzeit die Saat für den „Zusammenbruch“ ganzer Weltregionen. Ein Beibehalten des bestehenden Wirtschaftssystems werde „Spannungen verstärken und den Wohlstand verringern“, erklärte der emeritierte norwegische Professor für Klimastrategie. Es gehe darum, „eine Wirtschaft aufzubauen, die innerhalb der planetarischen Grenzen funktioniert“, ergänzte der Schwede Rockström, der auch Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) ist. Der Umbau müsse „noch in diesem Jahrzehnt“ beginnen.

Fünf Kehrtwenden, fünf Auswege aus der Klimakrise

Als Ausweg aus der globalen Krise schlagen die Autoren weitreichende „Kehrtwenden“ in fünf Bereichen vor: 

  • Beenden der Armut: Eine Reform des internationalen Finanzsystems soll dazu führen, dass drei bis vier Milliarden Menschen der Armut entkommen.
  • Bekämpfung der groben Ungerechtigkeit: Dazu müsse sichergestellt werden, dass die reichsten zehn Prozent nicht mehr als 40 Prozent des Volkseinkommens innehaben.
  • Frauen fördern und befähigen, um bis 2050 die volle Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen.
  • Umgestalten des Ernährungssystems, um für Mensch und Planet eine gesunde Ernährung zu gewährleisten.
  • Übergang zu sauberer Energie, um bis 2050 das Netto-Null-Emissionen-Ziel zu erreichen.

Zusammen bilden diese fünf Punkte den „Giant Leap“ („Großer Schritt“) genannten Ansatz, der nach der Überzeugung der Autoren dazu führen kann, dass die globale Erwärmung unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Epoche stabilisiert werden könne, die Weltbevölkerung unter neun Milliarden bleibe, der Materialverbrauch gesenkt werde und man sich dem Ende der weltweiten Armut bis 2050 nähern könne. In diesem Szenario würden die sozialen Spannungen abnehmen und im Laufe des Jahrhunderts das Wohlergehen steigen, da sich die Einkommen angleichen könnten.STERN PAID Klimakrise Interviw Saleemul Huq Den reichen Ländern ist es egal 8.25

Rockström: „Klimawandel hat das Attribut der Ungerechtigkeit“

Im Widerspruch dazu stehe das „Too little, too late“-Szenario. Es sei geradezu ein Wesensmerkmal des Klimawandels, dass er ungerecht sei, betonte PIK-Direktor Rockström. „Am härtesten trifft es diejenigen, die am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben – die armen Menschen der Welt. Ganze Lebensgrundlagen werden zerstört, wie wir gerade in Pakistan sehen, aufgrund von Extremereignissen, die durch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung verstärkt werden.“ Klima- und Umweltveränderungen vertieften die Ungleichheit, indem sie Lebenserhaltungssysteme wie Ackerland, Fischgründe oder Süßwasserressourcen zerstörten oder schädigten. Eine nachhaltigere Welt sei auch eine gerechtere Welt.

Im Einzelnen fordern die Autoren des „Survivalguides“ Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz in Höhe von einer Billion Dollar pro Jahr. Dazu höhere Steuern für die wohlhabendsten Bürger zum Abbau von Ungleichheit. Ein Bürgerfonds soll zudem mehr Menschen am Reichtum der jeweiligen Länder teilhaben lassen.

Wohlstand droht um 40 Prozent abzusinken

Würden die nötigen Veränderungen nicht angestoßen, droht laut den Autoren ein Szenario, bei dem sich die Erde bis 2100 um rund 2,5 Grad erwärmen würde, die ärmeren Länder „extremsten Bedingungen“ ausgesetzt wären und der Wohlstand bis Mitte des Jahrhunderts weltweit „um durchschnittlich 40 Prozent gegenüber den 2020er-Jahren“ sänke.

Dass dies anspruchsvolle Forderungen sind, ist auch den Autoren des Reports bewusst. „‚Der Earth 4 All‘-Bericht zeigt, dass nichts weniger als eine rasche globale Wende bei Energie, Ernährung und Gerechtigkeit erforderlich ist, um eine Chance auf eine sichere und erfolgreiche Zukunft für die Menschen auf einem stabilen Planeten innerhalb der planetaren Grenzen zu haben“, formulierte Rockström in einer Mitteilung des PIK. Doch in der Klimakrise vorzutäuschen, dass business as usual eine Möglichkeit sei, würde letztlich nur zum Zusammenbruch der Wirtschaft führen.

Mit Material von AFP und DPA

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