Die
Verhaftung der ehemaligen Ersten Ministerin Schottlands, Nicola Sturgeon, ist ein Schlag für die Scottish National Party
(SNP) und die
Reputation der anerkannten Politikerin. Dabei war er seit Wochen erwartet
worden.

Die Polizei hatte Sturgeon am Sonntag verhaftet, verhört und nach etwas mehr als sieben Stunden wieder freigelassen. Formelle Anschuldigungen seien nicht gegen sie erhoben worden, die
Ermittlungen dauerten aber weiter an, teilte die schottische Polizei am
Abend mit. „Unschuld ist nicht nur eine Vermutung, die dir gesetzlich
zusteht. Ich weiß ohne jeden Zweifel, dass ich in der Tat unschuldig
bin“, schrieb Sturgeon am Abend auf
Twitter als Reaktion auf ihre Verhaftung und Freilassung.

Der Arrest war Teil der
Ermittlungen Operation Branchform der schottischen Polizei, die seit
Juli 2021 potentielle Geldunterschlagungen der Scottish National Party
(SNP) untersucht. Der Geschäftsführer der Partei, Sturgeons Ehemann
Peter Murrell, war bereits im April verhaftet und nach Verhören kurze
Zeit später wieder freigelassen worden. Im April durchsuchte die Polizei
zudem das gemeinsame Wohnhaus des Ehepaares und die Parteizentrale der
SNP in Edinburgh

Die finanziellen Unregelmäßigkeiten der Partei machen seit fast
zwei Jahren Schlagzeilen in Schottland. Sturgeon hat es nie zugegeben – aber kaum jemand in Schottland zweifelt daran, dass die Untersuchung
ein wesentlicher Grund für den Rücktritt von Sturgeon am 15. Februar
dieses Jahres war. Damals behauptete die eigentlich resolute und
widerstandsfähige Politikerin plötzlich, das Leben einer Ersten
Ministerin sei zu aufreibend und sie wolle sich jetzt der „Person
Nicola“ widmen. 

Sturgeon hatte Parteifinanzen zuvor verteidigt

Im Hintergrund aber schwelte der für sie
und ihren Mann peinliche Skandal um die Parteifinanzen. Mehr als 660.000 Pfund, rund 780.000 Euro, die Aktivisten der Partei für Kampagnen zur Unabhängigkeit
Schottlands gespendet hatten, waren plötzlich nicht mehr auffindbar. Im
Juni 2021 gewährte Murrell der Partei gar einen Kredit von mehr als 100.000 Pfund, um bei „zeitweiligen Liquiditätsproblemen“ auszuhelfen. 

Der
Grund für den Geldmangel der Partei: Die Zahl der Mitglieder war über
die Enttäuschung der fehlgeschlagenen Unabhängigkeit und der
umstrittenen Genderpolitik Sturgeons seit 2019 von 125.000 auf 72.000
Personen gesunken. Die Beitragseinnahmen der Partei waren entsprechend
gesunken. Das jedoch hielt Murrell, der die Partei mit eiserner Hand
führte, geheim. Sturgeon behauptete derweil, die Finanzen der Partei
seien exzellent und jeder solle vorsichtig sein, der das Gegenteil
behaupte.

Der von Geschäftsführer Murrell falsch informierte
Kommunikationschef, Murray Foote, trat im März dieses Jahres zurück. Der
ehemalige Kassenwart der Partei, Douglas Chapman, war bereits 2022
ausgeschieden. Was Sturgeon und Murrell ebenfalls nicht sagten: Schon im
Oktober hatten die Wirtschaftsprüfer der Partei sogar
ihr Mandat niedergelegt.

Die Polizei ermittelt nun, ob
die Parteispitze – und damit Murrell und Sturgeon – die Spendengelder
für andere Zwecke eingesetzt haben. Auch der Kassenwart der SNP, Colin
Beattie, wurde bereits verhaftet und kurze Zeit später wieder
freigelassen. Ein teures Wohnmobil, das für Kampagnenzwecke hätte
gebraucht werden sollen, wurde auf dem Geländere von Murrell’s Mutter
bereits beschlagnahmt.  

Ermittlungen schweben über neuem Parteichef

Für die Partei ist der Skandal
eine Blamage. Sturgeon war lange einer der mächtigsten Politikerinnen
des Vereinigten Königreiches. Sie ist noch heute in Schottland beliebt
und wird verehrt. Die heute 52 Jahre alte Sturgeon wurde als junge,
ehrgeizige Politikerin von dem ehemaligen Vorsitzenden der Partei,
Alexander Salmond, entdeckt. Er beförderte die resolute junge Frau 2004
zu seiner Stellvertreterin. Sie bildeten ein Team und organisierten die
bisher einzige Volksabstimmung zur schottischen Unabhängigkeit im Jahr
2014.  

Doch mehr als die Hälfte der Öffentlichkeit stimmte damals
gegen eine Loslösung von England, Wales und Nordirland. Salmond trat
zurück. Sturgeon wurde Erste Ministerin Schottlands. Salmond hingegen
wurde von einem Skandal sexueller Belästigungsvorwürfe überzogen, bei
dem Sturgeon Salmond nie beistand. Der später von allen Anschuldigungen
frei gesprochene Politiker führt seither die kleine Splitterpartei Alba.

Sturgeon kämpfte vergeblich weiter für die
Unabhängigkeit Schottlands, musste jedoch einen Rückschlag einstecken, als der
britische High Court der schottischen Regierung untersagte, eine erneute
Volksabstimmung ohne Zustimmung der Regierung in London auszurichten.
Die jedoch lehnte ab. Sturgeons Idee, eine der nächsten Unterhauswahlen
einfach als Volksabstimmung umzudeuten, entfremdete die Wähler und
Wählerinnen und auch ihre eigene Partei. Noch mehr Kritik erntete sie,
als sie mit ihrem propagierten Gesetz der sexuellen Selbstbestimmung
scheiterte.

Der im März als ihr Nachfolger ernannte
Humza Yousaf distanziert sich daher von ihrer Politik. Den Sumpf um die
Parteifinanzen wird er jedoch nicht abschütteln können, solange die
polizeilichen Ermittlungen noch laufen. In dieser Zeit ist auch
begrenzt, was die Medien über den Fall berichten dürfen.

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