Liam McDaids Studio befindet sich in beneidenswerter Lage. Das backsteinerne Fabrikgebäude der Rosemount Factory steht hoch oben auf einem Hügel, der eine Aussicht auf ganz Derry bietet. Vor 100 Jahren, als die Stadt in der nordwestlichen Ecke von Nordirland noch boomte, war dies eine Hemdenfabrik und das passt ganz gut.

McDaid – Dreitagebart, kurze Hose, rosarote Baseballmütze – fährt mit seinem Lieferwagen am Hintereingang des Gebäudes vor und beginnt eilig, Kartonschachteln auszuladen. Es ist ein sonniger Samstag, aber für McDaid ist es ein Arbeitstag wie jeder andere. „Geschäftige Zeiten“, sagt er. Mit dem Lift geht es hinauf in den dritten Stock, dann in einen großen, lichtdurchfluteten Raum: Sein Studio, Ausstellungsraum und Büro, alles in einem.

Der 41-jährige McDaid ist Designer und Inhaber eines Kleiderlabels namens Amach; zudem verkauft er Kleidung eines Partnerunternehmens in Belgien, das wie er nachhaltig fertigt. „Alle Produkte sind vegan und Fairwear„, sagt McDaid und zeigt T-Shirts mit seinen neusten Designs, inspiriert von der Rave-Bewegung vor 30 Jahren.

Mehr Bürokratie beim Import vom britischen Festland

Aber trotz allem Enthusiasmus räumt McDaid ein, dass die vergangenen Jahre nicht eben einfach gewesen sind. Kurz nachdem er sein Unternehmen im Januar 2020 gegründet hatte, kam die Pandemie: „In den ersten 18 Monaten ging überhaupt nichts.“ Dann begann es endlich besser zu laufen – doch Anfang dieses Jahres folgte das nächste Problem: Brexit.

Zur Erinnerung: Um zu verhindern, dass an der inneririschen Grenze Kontrollen stattfinden, die den nordirischen Friedensprozess gefährden könnten, einigten sich die britische Regierung und die EU im Zug der Brexit-Verhandlungen auf das sogenannte Nordirland-Protokoll. Dieses verlegt die Zollgrenze in die Irische See, also zwischen Nordirland und Großbritannien. Jetzt müssen etliche nordirische Unternehmen zusätzlichen Papierkram erledigen, wenn sie vom britischen Festland importieren.

Für McDaid kam der Schock Anfang des Jahres. Alle seine Kleider werden in Brüssel gefertigt und dann nach Derry verschifft. Plötzlich wurde auf seine Produkte eine Zollgebühr von 12,5 Prozent aufgeschlagen. Das dürfte eigentlich nicht passieren: Nordirland ist gemäß Protokoll weiterhin an den EU-Binnenmarkt und die Zollunion angeknüpft, es sollten also keine Zölle für Einfuhren aus der EU anfallen. „Das Problem ist jedoch, dass manche meiner Schachteln via London nach Derry geliefert werden“, erklärt McDaid. „Und wenn sie auf einer Palette neben einer Schachtel liegen, die für England bestimmt ist, dann wird automatisch ein Zoll für die ganze Palette verrechnet.“

Er und sein Partner in Brüssel versuchten, irgendeinen Weg um das Problem zu finden, ohne Erfolg. „Die Zollgebühren hätten mein Geschäft kaputt gemacht, ich hätte nicht überleben können“, sagt McDaid. Aber er hatte einen brillanten Plan: Sein Bruder lebt zwar nur drei Kilometer westlich der Rosemount Factory – aber dort ist bereits Irland, also EU-Gebiet. Wenn er nach Irland liefern lässt, dann werden die Produkte von Brüssel via Dublin transportiert, anstatt über Großbritannien. Das heißt: kein Zoll, keine Scherereien mit Grenzformularen, nur ein paar zusätzliche Autofahrten. „So mache ich es seit Monaten: Ich liefere alles zu meinem Bruder drüben, dann hole ich die Schachteln dort ab und fahre sie hierher nach Nordirland – ich bin gerade eben von dort gekommen.“

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