Die Bemühungen um ein „starkes G20-Signal“ für die Weltklimakonferenz sind gescheitert. Obwohl die großen Wirtschaftsmächte für 80 Prozent der Emissionen verantwortlich sind, konnten sie sich nur auf einen Minimalkonsens einigen. Dafür stimmten sie dem Deal zur Globalen Mindeststeuer zu.

Die großen Wirtschaftsmächte haben sich zum Abschluss ihres G20-Gipfels in Rom nicht auf eine ehrgeizige Erklärung zum Klimaschutz verständigen können. Wie aus dem ausgehandelten Text für das Kommuniqué hervorgeht, gibt es weiter kein klares Zieldatum für die wichtige Kohlendioxidneutralität und den Ausstieg aus der Kohleverstromung. Statt des erhofften „starken Signals“ zum Auftakt der Weltklimakonferenz (COP26) in Glasgow, herrschte bis zuletzt Uneinigkeit. Klimaschützer äußerten sich „enttäuscht“, weil die G20-Gruppe für 80 Prozent der Emissionen verantwortlich ist. Immerhin gab es einen Minimalkonsens: Alle stellen sich hinter das 1,5-Grad-Klima-Ziel. Und: Immerhin sprachen die G20 wieder, es war der erste Gipfel seit mehr als zwei Jahren. 

Ein kompakter Blick auf die wichtigsten Einigungen und Entscheidungen sowie die größten Streitpunkte:

1. Globale Mindeststeuer beschlossen:

Im globalen Steuersystem bahnt sich eine Revolution an: Für Großkonzerne soll ab 2023 eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent gelten. Diese Regelung soll Schluss machen mit der Praxis, dass sich Unternehmen wie etwa die großen Digitalkonzerne vor Steuerzahlungen drücken, indem sie sich in Niedrigsteuerländern ansiedeln. Die Chefs der G20-Gruppe gaben am Wochenende auf ihrem Gipfel in Rom grünes Licht für die Umsetzung der Pläne, auf die sich die Finanzminister im Juli geeinigt hatten. Maßgeblich mitentwickelt hatte die Steuerreform SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. In den „Ampel“-Finanzierungsplänen sind die Pläne schon mit eingerechnet: Das Bundesfinanzministerium etwa rechnet für das erste Jahr für Deutschland mit Mehreinnahmen von 7,8 Milliarden Euro. 

In den kommenden Jahren könnten die Einnahmen für den deutschen Fiskus dann auf bis zu 13 Milliarden Euro pro Jahr ansteigen. Weltweit dürften sich die Steuermehreinnahmen Schätzungen zufolge im ersten Jahr auf rund 150 Milliarden Dollar summieren. Profitieren dürften grundsätzlich größere Länder, da die Konzerne auf den dortigen Märkten viele Umsätze machen, ohne dort zwangsläufig ansässig zu sein. Einbußen könnte es vor allem in den Steueroasen geben, aber auch in Ländern wie den Niederlanden, Luxemburg oder der Schweiz. Inzwischen haben 136 Länder ihre Bereitschaft zum Mitmachen erklärt. Sie stehen zusammen für mehr als 90 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Die G20-Gruppe, welche die Einführung der Mindeststeuer nun offiziell beschloss, umfasst die größten Industrie- und Schwellenländer der Welt.

2. 1,5 Grad-Klima-Ziel

Das Ziel ist nicht neu, aber das Commitment der G20 in dieser Form schon. Es ist immerhin ein sehr kleiner Fingerzeig in Richtung Weltklimagipfel, der seit diesem Sonntag in Glasgow stattfindet. Die Mitglieder der G20-Gruppe haben sich in schwierigen Verhandlungen auf ambitioniertere Klimaziele verständigt: In der  geplanten Abschlusserklärung des G20-Gipfels in Rom wollen sich die stärksten Wirtschaftsnationen der Welt im Grundsatz hinter das 1,5-Grad-Ziel stellen, wie die Nachrichtenagentur AFP am Sonntag aus Delegationskreisen erfuhr. Zudem einigten sie sich darauf, bis „Mitte des Jahrhunderts“ CO2-neutral zu werden. Ab kommendem Jahr wollen die G20-Staaten zudem keine „schmutzigen“ Kohlekraftwerke mehr im Ausland finanzieren.STERN PAID Interview Deutsches Gesundheitssystem ist nicht auf die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels vorbereitet

Die Unterhändler der G20-Mitglieder hatten die ganze Nacht über verhandelt, um die Einigung zu erzielen. Die Kompromissformulierung für die Abschlusserklärung sieht nach AFP-Informationen nun vor, dass die G20-Mitglieder das 1,5-Grad-Ziel gemeinsam „in Reichweite“ halten wollen. Dieses Ziel erfordere aber „erhebliche Anstrengungen in allen Ländern“, heißt es im Entwurf der Abschlusserklärung.

3. Impfstoff-Versorgung für ärmere Länder

Ausführlich berieten die G20-Chefs in Rom auch über die Corona-Pandemie und ihre Folgen für die Wirtschaft. Sie sagten im Abschlussentwurf zu, die Versorgung ärmerer Länder mit Impfstoffen „voranzutreiben“. Zudem stellten sie sich hinter das Ziel, dass bis Mitte 2022 mindestens 70 Prozent der Weltbevölkerung gegen Corona geimpft sein sollen. Der Gastgeber des Gipfels, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi, kritisierte es als „moralisch nicht hinnehmbar“, dass in den ärmsten Ländern aktuell nur etwa drei Prozent der Menschen gegen Corona geimpft seien. Kanzlerin Merkel kündigte in Rom an, dass Deutschland im kommenden Jahr 75 Millionen Impfdosen spenden wolle – nach 100 Millionen in diesem Jahr. Die G20-Länder bekräftigten in ihrem Abschlussentwurf das Ziel, die ärmsten Länder der Erde mit 100 Milliarden Dollar beim Weg aus der Coronakrise zu unterstützen. Bislang beliefen sich die Zusagen auf 45 Milliarden Dollar. Die Hilfen sollen über den Internationalen Währungsfonds abgewickelt werden.

Streit und Uneinigkeit:

1. Kein gemeinsames Zieldatum für CO2-Neutralität

1,5 Grad-Ziel ja, aber keine gemeinsame Marschrichtung Richtung Klimaneutralität: Bei der Klimaneutralität hatte die italienische G20-Präsidentschaft zunächst ein ehrgeizigeres Ziel angestrebt. Sie wollte das Jahr 2050 als Zielmarke für die CO2-Neutralität festschreiben. Gegen eine solche Festlegung gab es in Rom aber Widerstand – vor allem von Schwellenländern und von Staaten mit großer Produktion fossiler Energien. Die EU hatte sich bereits auf das Zieljahr 2050 für CO2-Neutralität festgelegt. Deutschland will dieses Ziel bis 2045 erreichen. Russland und China strebten bislang das Jahr 2060 an. Andere G20-Länder wie etwa Indien wollten sich bislang nicht auf ein Zieldatum festlegen. Die G20-Gruppe steht für fast 80 Prozent des weltweiten Ausstoßes an Treibhausgasen. Die G20 setzt mit der Einigung in Rom ein Signal zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Glasgow. 

2. Irans Atomprogramm – gemeinsame Erklärung von Biden, Merkel und Macron

Vor einer Wiederaufnahme der Atomverhandlungen mit dem Iran haben die USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland den Druck auf Teheran nochmals erhöht. Ohne eine rasche Rückkehr zum Atomabkommen könnte „eine gefährliche Eskalation“ drohen, warnten die Staats- und Regierungschefs der Länder. Sie drückten angesichts einer Ausweitung des iranischen Atomprogramms ihre „große und wachsende Besorgnis“ aus, wie aus einer gemeinsamen Erklärung von US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, Großbritanniens Premierminister Boris Johnson und der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hervorgeht.Merkels letzter G20-Gipfel hat begonnen

Nur durch die Rückkehr zu dem internationalen Abkommen sei „eine gefährliche Eskalation zu vermeiden, die im Interesse keines Landes liegt“, erklärten sie am Samstag nach einem Treffen. „Wir haben unserer Entschlossenheit Ausdruck verliehen, zu gewährleisten, dass Iran niemals Kernwaffen entwickeln oder erwerben kann“, hieß es. Die US-Regierung hatte vorab erklärt, es gehe bei dem Treffen darum, durch eine geschlossene Haltung Druck auf den Iran zu machen. Teheran will die Atomverhandlungen in Wien im November wieder aufnehmen. Merkel sagte am Samstag nach dem Treffen, es vergehe mehr Zeit „und die Anreicherungen werden im Iran fortgesetzt. Das beunruhigt uns sehr.“ Aus diesem Grund sei es an der Zeit gewesen, „darüber zu sprechen, was man tun kann, damit die Bewaffnung des Iran mit Nuklearwaffen nicht stattfindet“. Sie fügte hinzu: „Wir setzen natürlich auf eine Rückkehr des Iran an den Verhandlungstisch.“ Die vier Staaten erklärten, die USA seien bereit, zu dem Abkommen zurückzukehren und es „uneingeschränkt“ einzuhalten.

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