Beim Endspurt gibt er nochmal alles: Wenige Tage vor der Wahl hält Donald Trump bis zu drei Kundgebungen pro Tag ab. Der Präsident gibt sich siegessicher, doch wer genau hinhört, bemerkt auch andere Töne.

Donald Trump hat in den letzten Wochen eine Tour de Force absolviert: Um die Stimmung im Land vor der Wahl am 3. November noch zu drehen, trat der US-Präsident allein im September und Oktober bei mehr als 40 Wahlkampfevents auf. An manchen Tagen sprach der 74-Jährige in drei verschiedenen Bundesstaaten zu seinen Anhängern. Auch für die letzen vier Tage vor dem Urnengang stehen täglich drei Veranstaltungen in seinem Terminkalender.

Trump will in allem immer der Beste, der Größte, der Wichtigste sein. Schon sein Leben lang. Dort, wo er es nicht ist, behauptet er einfach, es zu sein. Ein Rauswurf aus dem Weißen Haus durch das amerikanische Volk wäre daher für den 74-Jährigen eine außerordentliche persönliche Demütigung. Deshalb wehrt er sich mit Händen und Füßen dagegen. Deshalb bestreitet er dieses Marathonprogramm. Deshalb, und weil die Auftritte vor seinen jubelnden Fans ihm das Gefühl geben, trotz seiner miserablen Umfragewerte gute Chancen auf eine zweite Amtszeit zu haben — und vor allem: ein Sieger zu sein.

„Wenn ich verliere, was soll ich dann tun?“

Doch je näher der Wahltag rückt, desto mehr scheint Trump darüber nachzudenken, dass seine Zeit als mächtigster Mann der Welt Anfang November zu Ende gehen könnte, dass sein Herausforderer Joe Biden ihn schlagen könnte, dass er werden könnte, was er so sehr verachtet: ein Verlierer.

PAID Was passiert, wenn…Trump die Wahl gewinnt?“Wenn ich verliere, werde ich gegen den schlechtesten Kandidaten, den schlechtesten Kandidaten in der Geschichte der Präsidentschaft verloren haben“, klagte Trump bei einer Kundgebung am 17. Oktober in Janesville im Bundesstaat Wisconsin vor seinen Anhängern. „Wenn ich verliere, was soll ich dann tun? Ich würde lieber gegen jemanden antreten, der außergewöhnlich talentiert ist, zumindest kann ich dann mein Leben weiterführen.“

Ähnliche Aussagen machte der Präsident bei einem Auftritt Mitte Oktober in Macon im Bundesstaat Georgia: „Könnten Sie sich vorstellen, wenn ich verliere? Mein ganzes Leben — was werde ich dann tun“, fragte Trump seine Anhänger. „Ich werde sagen, dass ich gegen den schlechtesten Kandidaten in der Geschichte der Politik verloren habe. Ich werde mich nicht so gut fühlen. Vielleicht werde ich das Land verlassen müssen. Vielleicht muss ich das Land verlassen. Ich weiß es nicht.“

Zwar gibt sich Trump auf all seinen Veranstaltung siegesgewiss und betont immer wieder, dass er Biden und die Demokraten auf jeden Fall schlagen werde, doch seine Bemerkungen über einen möglichen Rauswurf aus dem Weißen Haus liefern einen Einblick in die Gefühle, die ihm so im Kopf herumspuken, während ihm die Zeit bis zum Wahltermin davonläuft.

Die Anspielungen des Republikaners offenbarten seine Verunsicherung darüber, dass er als Präsident mit nur einer Amtszeit in die Geschichte eingehen könnte, stellte die Trump-Kritikerin und ehemalige Assistentin des republikanischen Senators Ted Cruz, Amanda Carpenter, in der „Washington Post“ fest. Trump sage immer, was er denke, erklärte sie. Für ihn sei es peinlich, wenn er gegen Biden verliere, „vor allem, weil Biden für Dinge wie Einfühlungsvermögen, Erfahrung und Geduld steht — die in Trumps Welt als Schwächen angesehen werden“.

Trump sorgt für Niederlage vor

Damit diese mögliche Peinlichkeit nicht ganz so groß wird, macht der Präsident schon seit Wochen klar, dass die Verantwortung dafür keinesfalls bei ihm läge. Sollte er tatsächlich das Oval Office räumen müssen, dann nur Aufgrund einer großangelegten Betrugsaktion im Zusammenhang mit der Briefwahl, behauptet Trump immer wieder, ohne irgendwelche Beweise dafür vorzulegen. Und ohne das „China-Virus“, wie er Sars-Cov-2 immer nennt, wäre sein Sieg sowieso sicher, und er müsste nicht mal Wahlkampf machen.

„Ich würde wahrscheinlich nicht mit Ihnen hier draußen im eisigen Regen stehen“, lamentierte Trump vor wenigen Tagen bei einem Auftritt in Lansing im Bundesstaat Michigan darüber, dass das Coronavirus seine politischen Aussichten gefährde. „Ich wäre zu Hause im Weißen Haus und würde tun, was zum Teufel ich auch tue. Ich wäre nicht hier draußen“, rief er der Menge zu, die stundenlang im Nieselregen ausgeharrt hatte, um ihn sprechen zu hören.

Auch in Janesville scheute sich der 74-Jährige nicht, seinen Anhängern zu sagen, dass er niemals in ihren Bundesstaat gekommen wäre, wenn er nicht ihre Stimmen bräuchte. „Wenn wir Wisconsin gewinnen, gewinnen wir das ganze Spiel“, rief Trump vom Podium auf dem Flughafengelände, als die Temperatur sank und ein Teil der Menschen anfing abzuwandern. „Was zum Teufel glauben Sie, was ich hier in einer eiskalten Nacht mit sieben Grad kalten Winden mache? Was glauben Sie? Glauben Sie, ich tue das für meine Gesundheit? Ich tue das nicht für meine Gesundheit.“

Trump-O-Mat Wieviel Trump steckt in Dir? 15.16Noch frostiger wurde der Wahlkämpfer aus Washington vergangenen Dienstag auf dem Flughafen von Omaha im Bundesstaat Nebraska von Petrus empfangen. Die Temperatur lag im Bereich des Gefrierpunktes, aber zusätzlich nervte ein eiskalter Wind den Präsidenten und das ließ er sein Publikum spüren: „Ich meine, ich stehe hier und friere“, rief Trump seinen Fans zu. „Ich bitte Sie um einen kleinen Gefallen: Gehen Sie raus, zum Teufel, und wählen Sie.“

Wie wenig Spaß Donald Trump noch am Wahlkampf — und offenbar auch an seinem Job im Weißen Haus — zu haben scheint, verdeutlichte sein Auftritt am Montag in Allentown, Pennsylvania. Während der Kundgebung schaute der Präsident zu einem Lastwagen hinüber und sinnierte darüber, hineinzuspringen und sein Leben in Washington hinter sich zu lassen.

„Übrigens, nette Lastwagen. Glauben Sie, ich könnte in einen von ihnen einsteigen und mit ihm wegfahren?“, sagte er zu niemandem bestimmten. „Ich würde am liebsten einfach wegfahren, verdammt. Einfach hier rauskommen, verdammt noch mal. Ich hatte so ein gutes Leben. Mein Leben war großartig.“

Quellen: Wahlkampfteam von Donald Trump, Factbase, Rev, „Washington Post“, CNN,

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