Kaum ein US-Präsidentschaftswahlkampf der jüngsten Geschichte hat die US-Bevölkerung derartig polarisiert wie der gerade zurückliegende. Selten zuvor wurde so klar, wie tief gespalten die USA sind – und wie fundamental gegensätzlich die Visionen für die Zukunft des Landes auf Seiten der Republikaner und der Demokraten. Donald Trump versprach seinen Wählern einen radikalen Kurswechsel und sicherte sich so das mächtigste Amt auf diesem Planeten. Die Welt blickt mit Verunsicherung in Richtung Washington.

Doch was Trump im Wahlkampf sagte, ist eine Sache. Viele Trump-Skeptiker hoffen, dass die meisten Versprechen, die Trump im Wahlkampf gab, nur Wahlkampfrhetorik waren. Tatsächlich scheint er nach seinem Sieg so manche Aussage aus seiner Kampagne relativieren. In einigen Punkten zeichnet sich gar ein Bruch mit dem Donald Trump ab, den man aus dem US-Wahlkampf kannte.

1. Hillary Clinton ins Gefängnis stecken

Im Kampf ums Weiße Haus warf Populist Trump seiner Kontrahentin Hillary Clinton immer wieder vor, korrupt zu sein. In der dritten TV-Debatte hatte Trump zudem angekündigt, nach Amtsantritt einen Sonderermittler einsetzten zu wollen, der Clintons E-Mail-Affäre erneut unter die Lupe nehmen sollte. #Lockherup, „sperr sie ein“, hatten Trump-Supporter noch auf der Wahlparty gerufen. Es war ein Kernbestandteil der letzten Wahlkampfwochen. Im Interview mit CBS schlug Trump deutlich versönlichere Töne in diesem Punkt an, er schwärmte gar fast von den Clintons: Hillary habe ihm in einem „reizenden“ Telefonat in der Wahlnacht zu seinem Sieg gratuliert. „Sie hätte nicht netter sein können.“ Sie sagte schlicht, „Glückwunsch, Donald, gut gemacht“ – und ich antwortete: „Du warst eine großartige Konkurrentin. „Sie ist sehr stark und sehr klug“, so Trump.

Gegenüber CBS sagte Trump über die Clintons: „Sie sind gute Menschen. Ich will ihnen nicht schaden.“ Zwar räumte Trump ein, Hillary Clinton habe „einige schlechte Dinge getan“,  mittlerweile habe er aber kein Interesse mehr daran, die Ermittlungen gegen Clinton voranzutreiben, stattdessen wolle er lieber vorwärts blicken. „Sie hat viel durchgemacht und auf sehr unterschiedliche Weise stark gelitten.“

2. Homoehe wieder abschaffen

Unmittelbar nach Trumps Wahlerfolg herrschte auch in der LGBT-Community Panik. Schließlich hatte sich Donald Trump in der Vergangenheit mehrfach gegen die Schwulen-Ehe ausgesprochen. In einem Interview mit Fox News sagte Trump schon im Jahr 2011: „Für mich fühlt sich das (Homoehe) nicht richtig an. Ich bin dagegen und bekomme viel Druck weil ich aus New York komme (…) Aber ich bin gegen die Schwulen-Ehe.“ Gegenüber CNN sagte Trump im vergangenen Jahr, er vertrete „traditionelle Ehen“, also zwischen Mann und Frau.

Auch in der Frage der Homo-Ehe schlug Trump im Interview mit CBS einen anderen Ton an: Auf die Frage, ob er die Homoehe unterstütze, antwortete er, es sei für ihn „in Ordnung“. Dieser Punkt sei für ihn abgehakt, „es ist irrelevant, weil es (die Homoehe) schon beschlossen wurde. Es ist Gesetz. Es wurde durch das Verfassungsgericht beschlossen (…) und das ist in Ordnung für mich“, so Trump.

3. „Obamacare“ abschaffen oder ersetzen

Als Kandidat hatte Trump die als „Obamacare“ bekannte US-Gesundheitsreform als „Katastrophe“ bezeichnet und angekündigt, er werde sie „als Erstes“ rückgängig machen. „Obamacare“ macht eine Krankenversicherung für alle zur Pflicht. Wer sie sich nicht leisten kann, erhält Zuschüsse. Nach Angaben der Obama-Regierung hat die Reform mit allen ihren Facetten insgesamt zusätzlich 20 Millionen Menschen eine Krankenversicherung gebracht. Gegenüber CBS ist er von diesem Wahlversprechen teilweise abgerückt. Er wolle Teile der Gesundheitsreform beibehalten, sagte Trump. Davor hatte er bereits in einem Gespräch mit dem „Wall Street Journal“ angedeutet, dass er „Obamacare“ möglicherweise nur nachbessern und nicht wie versprochen komplett abschaffen wolle.

Sein frisch designierter Stabschef im Weißen Haus Reince Priebus sagte laut Nachrichtenagentur AFP, Obamacare werde außer Kraft gesetzt und ersetzt werden. Wie es mit Obamacare weitergeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt also unklar.

4. Mit dem „politischen Establishment“ aufräumen

Zu den vielen Zielscheiben von Trumps Polemik gehörte auch das politische „Establishment“ in Washington – das der Demokraten wie der Republikaner. Auf seinem neuen Posten wird Trump sich nun aber zumindest teilweise mit diesem Establishment arrangieren müssen. Denn ohne die Republikaner im Kongress wird die Trump-Regierung viele ihrer Vorhaben nicht durchsetzen können. Sein neuer Stabschef Reince Preibus ist als Chef der Republikaner eine feste Größe im Washingtoner Establishment. Auch könnte Trump bei der Bildung seines Kabinetts auf so manchen bekannten Politiker aus dem Washingtoner Establishment setzten. Angeblich befindet sich Trump mit bekannten, republikanischen Größen wie Mitt Romney oder Newt Gingrich im Gespräch um Kabinettsposten.

5. Eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen

Ein Mauerbau an der Grenze zu Mexiko war eines der zentralen Forderungen in Trumps Wahlkampf. Deswegen ist es wenig verwunderlich, dass er im Großen und Ganzen an seiner Linie festhalten will. Gegenüber CBS bekräftigte er den Plan, eine Mauer zu errichten. Im Wahlkampf hatte er allerdings immer wieder betont: „Ich werde eine große Mauer bauen“ – von Zäunen hatte Trump im Wahlkampf hingegen nicht gesprochen. Offenbar sieht der designierte US-Präsidenten das heute anders. Gegenüber CBS sagte er, die Mauer werde sich nicht über den gesamten Grenzverlauf von 3200 Kilometern erstrecken. Einige Abschnitte sollen demnach durch einen Zaun gesichert werden. Schon heute verlaufen entlang der Grenze zwischen den USA und Mexiko hunderte Kilometer Zäune. 

Kris Kobach, ein Anwärter auf den Posten des Heimatschutzministers, war bei einem Termin mit Trump ein peinlicher Patzer unterlaufen. Unter dem Arm trug er geheime Anti-Terror-Pläne, die ebenfalls auf einen Mauerbau hindeuten. Demnach sollen knapp „2000 Meilen schnell errichtet werden“. Wie groß der Zaun-Anteil an dieser Barriere werden soll, ist bislang noch unbekannt.

6. Internationale Handelspolitik

Trump hat sehr stark Stimmung geschürt gegen internationale Handelsverträge. Das brachte ihm großen Rückhalt im industriell geprägten Nordosten der USA ein, dem einst florierenden und inzwischen vom wirtschaftlichen Abschwung gebeutelten „Rostgürtel“. In einer Videobotschaft hat er angekündigt, sofort nach Amtsantritt aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP aussteigen zu wollen – und zwar im Rahmen einer präsidentiellen Anordnung. Das TPP-Abkommen ist von zwölf Staaten einschließlich den USA unterzeichnet worden, aber noch nicht in Kraft. Der Abschluss war ein Herzstück der Agenda von Obama, der damit die wirtschaftlichen Verbindungen der USA zu Asien stärken wollte. 

Unter Trump rückt auch ein Abschluss des Transatlantischen Handelsabkommen TTIP in weite Ferne.  Die EU hat die Verhandlungen vorübergehend auf Eis gelegt. Frankreichs Außenhandelsstaatssekretär Matthias Fekl sagte der Nachrichtenagentur AFP: „Sie (die Verhandlungen) sind tot und ich glaube, dass alle das wissen, auch wenn es viele nicht zugeben wollen.“ Schwedens Europa- und Handelsministerin Ann Linde sagte, sie glaube nicht, dass TTIP schon tot sei. „Ich glaube aber, dass es wohl für einige Jahre keine weitere Verhandlungen geben wird.“

7. Klimawandel

Der Unternehmer hat die Existenz eines von Menschen verursachten Klimawandels sehr oft angezweifelt. 2012 behauptete er, das Konzept der globalen Erwärmung sei von den Chinesen erfunden worden, um der Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie zu schaden. Im Wahlkampf versprach er den Ausstieg aus dem Pariser Klimavertrag.

Nun ist Trump deutlich zurückhaltender. Auf die Frage, ob sich die USA unter seiner Führung aus internationalen Klimaabkommen zurückziehen würden, sagte er: „Ich werde das sehr genau prüfen. Ich stehe dem Ganzen offen gegenüber.“ Er räumte auch ein, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und menschlichem Einfluss geben könnte. „Irgendwie, es hängt davon ab, wie viel.“ Doch um eine klimawandelskeptische Politik zu machen, muss Trump nicht aus dem Klimaabkommen austreten. Es würde genügen, die Ziele des Abkommens schlichtweg nicht umzusetzen.

8. Folter durch „Waterboarding“

Trump hat in diesem Jahr mehrmals erklärt, er werde das – international geächtete – Waterboarding zurückbringen und „noch viel schlimmere Dinge“ einführen. Auch sein Vize Mike Pence hatte dies nicht ausgeschlossen. Folter funktioniere als Verhörmethode, sagte er etwa im Februar. Waterboarding – also simuliertes Ertränken – war nach den Anschlägen vom 11. September eine umstrittene Praxis der CIA, um Terrorverdächtige zu verhören. Mittlerweile ist es verboten.

Trump deutete in dem Interview an, dass er seine Position zum Thema Folter nach einem Gespräch mit dem pensionierten Vier-Sterne-General James Mattis geändert hat. Dieser ist als neuer Verteidigungsminister im Gespräch. Mattis habe ihm gesagt, dass er derartige Methoden nie für sinnvoll gehalten habe, erklärte Trump. Folter mache nicht die Art von Unterschied, die manche Menschen erwarteten.

9. Alt-Right-Bewegung

Insbesondere Trumps Ernennung des ultrarechten Publizisten Stephen Bannon zu seinem Chefstrategen im Weißen Haus hatte zuletzt die Sorgen verstärkt, dass die Alt-Right-Bewegung Einfluss auf die Regierungspolitik gewinnen könnte. Mitglieder dieser losen, rechtsgesinnten Gruppierung hatten Trumps Wahlsieg mit Nazi-Sprüchen und dem Hitlergruß gefeiert. Trump hatte im Wahlkampf mit abfälligen Äußerungen über Muslime und Einwanderer immer wieder für Empörung gesorgt.

Bannon, der in den vergangenen Monaten die Wahlkampagne des Immobilienmilliardärs geleitet hatte, war bisher Chef der Website „Breitbart“, die als Forum der Alt-Right-Bewegung gilt. Bannon hat das Portal selber einmal als Sprachrohr der rechtsextremen Gruppe bezeichnet. Trump nahm seinen früheren Wahlkampfchef jedoch nun gegen den Vorwurf der rechtsextremen Gesinnung in Schutz und distanzierte sich öffentlich von der Alt-Right-Bewegung: „Ich will dieser Gruppe keinen Auftrieb geben, und ich erkenne diese Gruppe nicht an,“ sagte Trump der „New York Times“.

10. Abschiebung von „Illegalen“

Im Wahlkampf hatte Trump hat die überwiegend aus Lateinamerika stammenden „Illegalen“ in den USA pauschal als „Drogendealer“ und „Vergewaltiger“ beschimpft und mit der Abschiebung von Millionen von Menschen gedroht. Schätzungen zufolge leben in den USA elf Millionen Menschen ohne Papiere. Sie stammen überwiegend aus Lateinamerika. Offenbar will der designierte US-Präsident an seinen Plänen festhalten: Von der Abschiebung betroffen seien „wahrscheinlich zwei Millionen, es könnten aber bis zu drei Millionen sein“, sagte Trump in einem Interview mit dem Sender CBS. Besonders straffällige Migranten wolle er ausweisen, allen voran „Bandenmitglieder und Drogendealer“.

Dieser Artikel wurde erstmals am 14. November veröffentlicht und wurde anhand der letzten Aussagen von Donald Trump aktualisiert.

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