Die Gesundheitsdaten der 73 Millionen gesetzlich Versicherten sollen künftig ohne ihr Einverständnis für die Forschung verwendet werden können. Gesundheitspolitiker kritisierten am Wochenende den Entwurf zum Digitale-Versorgungs-Gesetz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden soll. Die Vorlage sieht folgendes Verfahren vor: Die gesetzlichen Kassen müssen die persönlichen Daten sowie sämtliche Behandlungsdaten aller Versicherten an den Spitzenverband der Kassen melden, der sie dann pseudonymisiert der Forschung zur Verfügung stellt.

Damit entstünde eine der umfangreichsten Datensammlungen in der Bundesrepublik, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland am Wochenende. Eine Möglichkeit für die Versicherten, der Weitergabe dieser hochsensiblen Daten zu widersprechen, sieht der auf der Internetseite des Bundestags veröffentlichte Entwurf nicht vor.

Daten sollen anonymisiert werden

Genutzt werden sollen die Daten laut Gesetzentwurf für „Forschung, insbesondere für Längsschnittanalysen über längere Zeiträume, Analysen von Behandlungsabläufen oder Analysen des Versorgungsgeschehens“. Gesammelt werden sollen die Daten von einem neuen Forschungsdatenzentrum. Sie sollen anonymisiert werden, so dass sie nicht den einzelnen Versicherten zugeordnet werden können.

Die Daten können laut Gesetzentwurf von Behörden, Forschungseinrichtungen oder Universitätskliniken genutzt werden. Die Industrie wird nicht genannt, sie ist aber auch nicht explizit ausgeschlossen.Jens Spahns neues Werbevideo_17.15Uhr

Die Opposition kritisierte Spahns Vorgehen. „Es ist hoch bedenklich, dass Spahn im Schweinsgalopp, praktisch ohne gesellschaftliche Diskussion, die kompletten Gesundheitsdaten der gesetzlich Versicherten für die Forschung zugänglich machen möchte“, sagte die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink dem RND.

Es sei an keiner Stelle intensiver diskutiert worden, ob Datenschutz und Datensicherheit hinreichend gewährleistet seien, sagte sie. Zudem gebe es keine eindeutigen gesetzlichen Vorgaben zur Pseudonymisierung der Daten.

Jens Spahn entzieht Einflumöglichkeiten

Klein-Schmeink bemängelte zudem, dass es an Widerspruchsmöglichkeiten für die Versicherten fehle. Das solle erst in einer Rechtsverordnung des Gesundheitsministeriums festgelegt werden. „Damit entzieht Spahn dem Bundestag als Gesetzgeber wichtige Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten“, beklagte die Gesundheitsexpertin.

Der Bundesrat gab bereits eine kritische Stellungnahme zu Spahns Gesetzentwurf ab und forderte eine Überprüfung. Auch die Länderkammer äußerte Zweifel an der Effizienz des Persönlichkeitsschutzes in dem Entwurf: „Es fehlt an einer klaren Regelung zur Abwägung des angestrebten Nutzens mit dem Reidentifikationsrisiko und dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen“, erklärte sie.

Zudem wies der Bundesrat darauf hin, dass „die Daten nicht nur für Forschung im engeren Sinne, sondern zum Beispiel auch zur Unterstützung politischer Entscheidungsprozesse zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung oder zur Wahrnehmung von Aufgaben der Gesundheitsberichterstattung genutzt werden können“. Auch dies müsse überprüft werden.

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