Vor dem Staatsbesuch von Xi Jinping in Moskau hat sich Russlands-Präsident Wladimir Putin mit Eindrücken einer Reise in die Ukraine aufgeladen. Das Wochenende stand im Zeichen der Propaganda.

Wladimir Putin auf allen Kanälen. Die Propaganda-Maschinerie des Kremlherrschers läuft dieser Tage auf Hochtouren. Der Anlass für Putins öffentlichkeitswirksame Auftritte ist eigentlich der neunte Jahrestag der völkerrechtswidrigen Einverleibung der ukrainischen Halbinsel Krim. Zugleich – so will es offenbar der Zufall – folgt die Putin-Show direkt auf den Erlass des Haftbefehls des Internationales Strafgerichtshof gegen den russischen Präsidenten.

Einen Tag nach der Verkündung startete Putin seine PR-Offensive mit einem Überraschungsbesuch auf der Krim, ließ sich dort unter anderem eine Kunstschule und ein Ferienlager zeigen. Staatlich kontrollierte Fernsehbilder zeigten ihn interessiert beim Betrachten von Kunstwerken oder im Gespräch mit Vertretern der von Moskaus eingesetzten Behörden. „Unser Präsident Wladimir Wladimirowitsch weiß, wie man überrascht“, lobte der örtlichen Gouverneurs Michail Raswoschajew die Visite aus der fernen Hauptstadt. Denn eigentlich habe sich Putin lediglich per Video zuschalten lassen wollen. „Aber Wladimir Wladimirowitsch ist persönlich gekommen. Am Steuer. Weil er an so einem historischen Tag wie heute immer bei Sewastopol und seiner Bevölkerung ist.“

Eingebettet war Putins Blitzbesuch in eine ganze Reihe von Feierlichkeiten auf der Halbinsel. So startete eine patriotisch aufgeladene Auto- und Motorrad-Rallye mit dem kremlnahen Biker-Clubs „Nachtwölfe“, dazu waren eine Reihe von patriotischen Konzerten geplant, in den Straßen von Jalta wehten russische Fahnen und hingen Plakate mit dem Konterfei des russischen Präsidenten. 

Zuletzt hatte Putin die Region im vergangenen Jahr besucht, um die Brücke, die die Halbinsel mit dem russischen Festland verbindet, nach dem Wiederaufbau höchstselbst auf ihre Befahrbarkeit zu testen – auch damals saß Putin, natürlich, persönlich am Steuer. 

Russland hatte die Krim am 18. März 2014 ins eigene Staatsgebiet eingegliedert. Der Annexion war ein von Kiew und der internationalen Gemeinschaft nicht anerkanntes Referendum vorausgegangen.

Normalerweise meidet der russische Präsident alle Gebiete in der Nähe der Front, an diesem Wochenende besuchte er gleich noch eine Stadt in der lange umkämpften Region im Süden der Ukraine.

Zerstörung in Mariupol: Schutt und Asche 19.20

Nächster Stopp der Reise war offiziellen Angaben zufolge die ukrainische Hafenstadt Mariupol, die seine Truppen in den ersten Kriegsmonaten nahezu dem Erdboden gleichgemacht und besetzt hatten. 20.000 Menschen starben dort nach Angaben Kiews, der russischen Armee werden schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen. Putin sei per Helikopter eingeflogen habe sich auf einer nächtlichen Autotour den vermeintlichen Wiederaufbau der Stadt präsentieren lassen, so die offizielle Darstellung. Es gebe wieder Straßenbeleuchtung und Busverkehr, erklärte der stellvertretende Regierungschef Marat Chusnulli vom Beifahrersitz dem Kremlchef am Steuer. „Die Menschen beginnen, in die Stadt zurückzukehren.“ Ausgewählte Bewohner preisten „spontan“ die Arbeit Moskaus, die Kameras des Staatsfernsehens liefen. Auch als Putin im Saal der Philharmonie der Stadt Platz nahm. Dort hatte das russische Regime eigentlich Schauprozesse gegen angebliche ukrainische Kriegsgefangene und Funktionäre geplant – zu denen es dort bis heute nicht gekommen ist. Dennoch: Der Besuch Putins in dem improvisierten Gerichtssaal ist für westliche Beobachter ein Symbol. „Putin im Gericht“, schrieb der Spiegel mit Blick auf den Haftbefehl.

Die Besuche Putins in den ukrainischen Gebieten dürften für Putin dennoch ein Propagandaerfolg sein. Im Staatsfernsehen wird über russische Erfolge in den „befreiten“ Gebieten berichtet, der Haftbefehl des Internationales Strafgerichtshof ist allenfalls eine Randnotiz, die vom Kreml beiseite gewischt wird.

Heftige Reaktionen rief die Reise jedoch in Kiew hervor. „Verbrecher kehren immer an den Tatort zurück“, schrieb der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Michailo Podoljak, bei Twitter. „Der Mörder von Tausenden von Familien in Mariupol kam, um die Ruinen der Stadt und ihre Gräber zu bewundern. Zynismus und mangelnde Reue“, fügte er hinzu. Das ukrainische Verteidigungsministerium erklärte, Putin habe die durch russische Bombardements weitgehend zerstörte Stadt im Schutze der Nacht besucht, „so wie es sich für einen Dieb gehört“. Die Dunkelheit habe es ihm ermöglicht, die Stadt „und ihre wenigen überlebenden Einwohner vor neugierigen Blicken“ zu schützen. 

PAID IV Keupp: Braucht Putin den Krieg für sein Überleben 06.10

Das Wochenende der Putin’schen Selbstdarstellung endete mit einem Fernsehinterview, dass am Sonntag im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde. Darin wird deutlich, dass der russische Präsident die Ukraine womöglich schon früher hätte überfallen wollen, er seine Armee jedoch nicht für ausreichend gerüstet hielt. „Wir hatten damals keine Hyperschallwaffen, aber jetzt haben wir sie.“ Russland setzt die Hyperschallwaffen bisher gelegentlich ein. „Es gibt auch noch andere moderne Systeme, 2014 gab es noch nichts Vergleichbares“, sagte er und behauptete erneut, Russland habe den Konflikt um die Ukraine damals friedlich lösen wollen. Putin machte dazu deutlich, dass Russland 2014 zu „größeren Handlungen“ als damals bei der Annexion der Krim noch nicht bereit gewesen sei.

Aufgeladen mit den Eindrücken seiner Reise in das Kriegsgebiet trifft Putin ab Montag bei Festbanketts und Verhandlungen auf Xi Jinping. Der chinesische Staats- und Parteichef kommt zum dreitägigen Staatsbesuch nach Moskau. Unter den Augen der Weltöffentlichkeit wollen die beiden dabei auch ihre Allianz gegen die USA festigen.

Laut Kreml ist für Montag auch ein Artikel Putins zur Ukraine in chinesischen Zeitungen geplant – als „wichtiges Signal“ vor den Verhandlungen. Xi Jinping wiederum habe einen Artikel für russische Medien vorbereitet, hieß es.

Die Krieg geht weiter, die Propaganda auch.

Quellen: Nachrichtenagentur DPA, AFP und Reuters

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