Die ukrainischen Streitkräfte verteidigen erfolgreich ihre Hauptstadt, doch sie verlieren nach und nach die Kontrolle über die Vororte. Russland macht sich bereit, die ganze Stadt einzuschnüren.

Größere Erfolge konnten die russischen Truppen bei ihrem Versuch, Kiew zu erobern, nicht verzeichnen. Ein Sturm auf die Stadt scheint derzeit nicht möglich. Alle Angriffe an denen größere Einheiten beteiligt waren, sind liegen geblieben. Kiew wird also noch in den nächsten Tagen die Hauptstadt einer freien Ukraine bleiben. Doch andererseits arbeiten sich die russischen Truppen in den Vororten stetig voran. Angesichts der Länge so eines Ringes wirken Gewinne um die fünf Kilometer am Tag nicht dramatisch, aber auf Dauer werden sie die Lebensadern der Stadt, die Einfallstraßen und Eisenbahnlinien, abschnüren.

Masse der Truppen vor Kiew 

Nach Angaben des britischen Geheimdienstes befindet sich die Masse der russischen Truppen nun in etwa 25 Kilometer Entfernung von Kiew. Von dort aus werden sie in Kürze ihre Angriffspositionen erreichen. In der Nacht zum Samstag haben russische Offensiven an der nördlichen Stadtgrenze von Kiew bei Sasymja und in südlicher Richtung bei Wyschenky begrenzte Einbrüche erzielt, so der ukrainische Generalstab. Mit diesen Positionen wäre der östlich des Dnjepr liegende Teil von Kiew von den Landverbindungen weitgehend abgeschnitten. Nur im Westen und Südwesten der Stadt sind die Straßen noch offen.

Schutzschilde der Hauptstadt

Von der Öffentlichkeit nicht so beachtet sind die Kämpfe um den Kessel von Tschernihiw-Nischyn und die belagerte Stadt Sumy. Der Widerstand dort und die erfolgreichen Gegenangriffe im Raum um Tschernihiw-Nischyn sind die Schutzschilder der Hauptstadt. Solange diese beiden Widerstandszonen die russischen Versorgungslinien bedrohen und blockieren, werden die Invasoren im Nord-Osten des Landes keine umfassenden Offensiven starten können. Fallen sie, ist Kiew unmittelbar in Gefahr. Trotz der hohen Moral der Soldaten werden die eingeschlossenen Truppen und die Zivilisten unter Versorgungsmängeln leiden. Insbesondere die Munition für Artillerie dürfte sich erschöpfen. Im Süden gibt es ein ähnliches Bild, hier schützt der hartnäckige Widerstand um die Stadt Mykolajiw die wichtige Hafenstadt Odessa.

Ukraine hält das komplette Stadtgebiet

Die Verteidiger wehren Einbrüche in das Stadtgebiet von Kiew erfolgreich ab. Eine Zone von über zehn Kilometern Radius um das Zentrum wird allein von den ukrainischen Streitkräften gehalten. Es ist derzeit nicht zu erkennen, wie Kiew das langsame Vorrücken der Russen entlang der Vororte stoppen kann. In der Fläche des urbanen Siedlungsraums ist die Stadt nicht unbedingt eine Hilfe für die Verteidiger. Sie können das große Gebiet nicht komplett abriegeln und laufen stets Gefahr umgangen zu werden.

Die Invasoren bereiten sich so auf eine komplette Umfassung und Belagerung der Stadt vor. So wie es bereits in Mariupol geschieht. Den russischen Streitkräften fehlt die Mannstärke, um die Städte zu stürmen. Schon in Mariupol, im ungleich größeren Kiew erst recht. Ein solches Vorgehen wäre zudem mit großen Verlusten verbunden. Die Russen setzten darauf, dass die Versorgung in den belagerten Städten für Zivilisten und Militärs zusammenbricht und auf ihre überlegene Artillerie, die die eingeschlossenen Städte zusammenschießt.

Syrische Kämpfer in der Ukraine

Zu dieser Strategie passt auch die Ankündigung Putins, Freiwilligen, die der russischen Seite dienen wollen, die Reise ins Kampfgebiet zu ermöglichen. Noch ist das eine reine Drohung. Dennoch ist die Möglichkeit, dass syrische Kämpfer in größerer Zahl in die Ukraine strömen, nicht von der Hand zu weisen. Das Assad-Regime ist in jeder Form von Putins Russland abhängig. Auf Wunsch des Kremls wird Damaskus die benötigten „Freiwilligen“ in Marsch setzen. Und das wären im brutalen Häuserkampf erprobte Soldaten, deren Verluste Putin innenpolitisch nicht unter Druck setzen.

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