Trotz massiver Proteste schafft Dänemark auf Betreiben der Regierung einen Feiertag ab. Man verspricht sich davon mehr Geld für den Verteidigungshaushalt. Wäre das auch eine Idee für die marode Bundeswehr?

Am Ende hatten die massiven Proteste von Gewerkschaften und Kirchen nichts genutzt. Der Plan der dänischen Regierung, einen Feiertag abzuschaffen, wurde am Dienstag im Parlament nach einer hitzigen Debatte besiegelt. Die Parteien der SVM-Regierung – Sozialdemokraten, Venstre und Moderate – stimmten geschlossen dafür, ebenso die oppositionellen Sozialliberalen.

Die SVM-Regierung hatte von Tag eins an verkündet, dass der „store bededag“ kein Feiertag mehr sein soll, sondern ein normaler Arbeitstag. „Store bededag“, das heißt auf Deutsch „großer Gebetstag“; eingeführt wurde er in Dänemark im Jahr 1686, mit dem Ziel, mehrere christliche Feiertage zusammenzuführen, die in früheren Krisen- und Kriegszeiten eingeführt wurden. Man betete, fastete und tat Buße.

Doch ab 2024 wird dieser Feiertag Geschichte sein, trotz der enormen Mobilisierung der Gewerkschaften gegen die Pläne. Mehr als 450.000 Unterschriften wurden in Dänemark gegen die Abschaffung des Feiertags gesammelt. Die Oppositionsparteien hätten theoretisch im Folketing, dem dänischen Parlament, eine Volksabstimmung über den Regierungsvorschlag verlangen können – doch dafür fehlten genügend Mandate; die Opposition war in diesem Punkt gespalten.STERN PAID Pistorius bei der Truppe 6.20

Feiertag abschaffen: Dänische Regierung erhofft sich Mehreinnahmen

Im SVM-Koalitionsvertrag einigten sich die Parteien darauf, dass man aufgrund des russischen Krieges gegen die Ukraine und die damit näher gerückte Bedrohung das Militär finanziell stärker unterstützen müsse. Dafür muss nun der „store bededag“ weichen. „Die Dänen müssen zu unserer gemeinsamen Sicherheit beitragen“, hieß es in einem Passus des Koalitionspapiers.

In Kopenhagen verspricht man sich davon Mehreinnahmen in Höhe von 4,5 Milliarden Kronen (umgerechnet mehr als 640 Millionen Euro), die in den Verteidigungsetat fließen sollen. Somit könnte man die ohnehin für 2033 geplante Erhöhung der Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf 2030 vorziehen. Die zwei Prozent sind ein von der Nato für die Mitgliedsländer angestrebtes Ziel, um die gemeinsame Verteidigungsfähigkeit sicher zu stellen.

„Es braucht eine Vitaminspritze für das dänische Militär, die auch wirkt. So können wir uns für die neue geopolitische Realität wappnen, die sich um uns herum abzeichnet“, kommentierte Frederiksens Außenminister Lars Løkke Rasmussen die Finanzierungspläne.

Grüne und FDP: Erstmal Sondervermögen nutzen

Ministerpräsidentin Mette Frederiksen betonte nach der Abstimmung im Folketing erneut, dass die Streitkräfte des Landes mehr Geld bräuchten, um der geopolitischen Realität Herr zu werden. „Es kann sein, dass wir über die zwei Prozent hinausgehen müssen.“

Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen
© Liselotte Sabroe / Ritzau Scanpix

Vor einem ähnlichen Problem steht hierzulande auch die deutsche Bundeswehr. Ausrüstung muss modernisiert werden und Waffen nachbestellt werden, die an die Ukraine geliefert wurden. Auch das Zwei-Prozent-Ziel der Nato will man endlich erreichen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) fordert daher zehn Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr für den Verteidigungshaushalt, um all das zu erreichen.

Da regt das Beispiel aus Dänemark womöglich auch bei Politikern hierzulande die Phantasie an. Aber könnte tatsächlich die Streichung eines Feiertages in Deutschland das Finanzierungsproblem bei der Bundeswehr lösen?

Die Antwort ist kompliziert. Zum einen ist da das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen, das zu weiten Teilen noch gar nicht angegriffen wurde. 30 Milliarden Euro sind laut Verteidigungsministerium schon für dieses Jahr verplant. Bleiben also noch 70 Milliarden übrig. Grüne und FDP sind dafür, benötigtes Geld aus diesem Topf zu nehmen. 

Wirtschaftsinstitut hält Sondervermögen für nicht ausreichend

Doch mit den 100 Milliarden allein wird man das Zwei-Prozent-Ziel nicht erreicht, sagen Analysten des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) voraus. Erschwerend hinzu kommen die steigenden Preise. „Mit nominal konstanten Haushaltsansätzen und einem nominal auf 100 Milliarden Euro begrenzten Sondervermögen kann die Nato-Quote nicht eingehalten werden“, so das IW. 2024 und 2025 würde die Zwei-Prozent-Quote dank des Sondervermögens zwar erreicht, „danach fiele der Anteil am BIP aber auf 1,8 und 1,2 Prozent zurück“.

Das IW schlägt als Mittel dagegen eine „Verstetigung des Verteidigungsetats“ vor. „Zur Behebung der Finanzierungsprobleme, die sich direkt in einer Ausrüstungs- und Fähigkeitslücke niederschlagen, erscheint eine reale Verstetigung des Verteidigungsetats – also eine nominale Steigerung um mindestens fünf Prozent pro Jahr – vor Nutzung des Sondervermögens geboten.“

Dänische Ökonomen zweifeln an Nutzen von Feiertags-Streichung

Es braucht also mehr Geld. Doch kann ein gestrichener Feiertag das tatsächlich gewährleisten? In Dänemark gibt es Zweifel an dem Konzept. Carl-Johan Dalgaard, einer der bedeutendsten Ökonomen des Landes, sagte der Zeitung „Jyllands-Posten“, dass die Abschaffung eines Feiertags zwar kurzfristig mehr Geld bringen könne. Auf lange Sicht würden die Auswirkungen auf den Staatshaushalt aber „genau null Kronen“ betragen.

„Ich habe keine Beweise dafür gesehen, dass die Abschaffung eines Feiertags zu einer dauerhaften Verbesserung der öffentlichen Finanzen führen würde“, sagte der Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Kopenhagen. Ganz einfach, weil die arbeitenden Dänen früher oder später andere Wege zum Ausgleich für den abgeschafften Feiertag finden würden.STERN PAID Verteidigungsausgaben Zeitenwende und Zahlenchaos 14.05

Anreize statt mehr Arbeit

Auch die bürgerlich-liberale Denkfabrik Cepos aus Dänemark kommt zu dem gleichen Schluss. „Ich bin sehr skeptisch gegenüber der Idee der Regierung, den Großen Gebetstag abzuschaffen, um höhere Verteidigungsausgaben zu finanzieren“, sagte Cepos-Chefökonom Mads Lundby Hansen. „Die Auswirkungen auf die Beschäftigung sind fragil, und das gilt auch für das Finanzierungselement.“ 

Dalgaard hat andere Ideen, wie man mehr Menschen zum Arbeiten bringt – und damit auch das BIP verbessert: „Wenn man etwas tun will, das nachweislich Wirkung zeigt, muss man sich mit Anreizen befassen. Wenn man zum Beispiel die Steuern auf Arbeit senkt, erhöht sich der Arbeitsanreiz, und das bringt die Menschen dazu, mehr zu arbeiten“, erklärte er der Zeitung „Politiken“.

„Behaltet ’store bededag‘!“ – Gewerkschaftsprotest gegen die Abschaffung des Feiertags in Kopenhagen
© Francis Joseph Dean/Dean Pictures

Steuererhöhungen und höheres Rentenalter als Alternative?

Das sei aber nicht die absolute Lösung. „Man kann die Mittel auch durch Einsparungen an anderer Stelle oder durch Steuererhöhungen aufbringen.“ 

Auch Hansen sieht in anderen Maßnahmen mehr Effekte. „Wenn man das Arbeitskräfteangebot erhöhen will, würde ich traditionelle Reformen empfehlen, bei denen die Auswirkungen sicherer sind.“ Als Beispiele nennt er etwa ein niedriges Arbeitslosengeld und höheres Rentenalter.

Deutschland hat schonmal einen Feiertag gestrichen

Die Alternativvorschläge der dänischen Ökonomen zur Finanzierung der erhöhten Militärausgaben wären in Deutschland allerdings noch mehr Sprengstoff für die Ampel-Koalition: Steuererhöhungen wären mit der FDP nicht zu machen, die SPD würde gegen eine Kürzung des Bürgergeldes Sturm laufen.

Ist die Streichung eines Feiertages dann also womöglich das kleinere Übel?

Eher nicht. Denn ausgerechnet Deutschland hat schon einmal gezeigt, das das Konzept von Mehreinnahmen durch einen Tag Mehrarbeit nicht wirklich aufgeht. 1995 entschied man sich, den Buß- und Bettag als Feiertag zu streichen, um die Pflegeversicherung zu finanzieren bzw. den Arbeitgeberanteil daran auszugleichen. Nur Sachsen behielt in bei.

In Dänemark werden am "store bededag" traditionell "hveder" gegessen – Weizenbrötchen
In Dänemark werden am „store bededag“ traditionell „hveder“ gegessen – Weizenbrötchen
© EVA SEIDER/

Dennoch kämpfte die Pflegeversicherung schon in den ersten Jahren mit Defiziten. 1999 rutschte sie in die roten Zahlen. Die Beiträge mussten erhöht werden. Dennoch schloss sie weiter mit Defiziten ab, etwa 2021 mit einem Minus von 1,4 Milliarden Euro, so die Zahlen des Verbands der Ersatzkassen.

Den Dänen, die in den letzten Wochen auf die Straße gegangen sind, um ihren „store bededag“ zu bewahren, hilft das mahnende Beispiel aus Deutschland allerdings nicht. Am 5. Mai feiern sie ihn das voraussichtlich letzte Mal. Dann ist er nach 337 Jahren Geschichte.

Quellen: Folketing, Koalitionsvertrag der SVM-Regierung, Pressekonferenz SVM-Regierung, Finanzministerium Dänemark, dänische Volkskirche, „Berlingske“, „Politiken“, „Jyllands-Posten“, DR, TV2, Institut der Deutschen Wirtschaft, Cepos, „Sonntagsblatt“, „Tagesspiegel“, Bundesgesundheitsministerium, evangelisch.de, Verband der Ersatzkassen, Nachrichtenagenturen DPA und AFP

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